Zu meiner Geburtstagsfeier sollte es eine Lotterie geben, bei der jedes Los gewann. Bunte Hüte, Trillerpfeifen und ein Feuerwehrauto als Hauptpreis machten unsere Augen groß. Bevor meine Freunde und ich - und meine Schwester, die auch um ein Los quengelte - uns aber vor dem Lostopf aufstellen konnten, brachte Opa eine Salatschüssel voller Papierfetzen.
„Wir wollen das doch etwas spannender machen; ganz wie im richtigen Leben“, sagte er und mischte die Gewinnlose unter.
„Alles Nieten“, tuschelte er uns zu, „aber dafür darf jeder zehnmal.“
Meine Schwester ging sofort in die Hocke und bockte. Sie wollte nicht mehr; bestimmt hatte sie einfach Angst eine Niete zu ziehen. Typisch Mädchen.
Fabian und Paul flüsterten auch hinter meinen Rücken. Ich sah meinen Opa an: Ganz eng drückte ich meine Stirn zusammen, sodass die Hautlappen, die sich zwischen den Falten aufwarfen, bestimmt schon meine Augenbrauen bedecken mussten. Mit diesem Blick griff ich in die Schüssel.
Eine Niete. Noch eine Niete und noch eine – und so ging es fort.
Fabian hatte indes von Paul drei Lose bekommen. Er hatte sie gegen sein Stück Geburtstagskuchen eingetauscht, welcher gleich im Anschluss von unseren hungrigen Mäulern massakriert werden sollte. Doch Fabian ging leer aus. Paul hingegen gewann beim dritten Los eine Trillerpfeife, war damit aber unzufrieden.
Meine Schwester nängerte, ich kippelte trotzig, Fabian mampfte lustlos und Paul hatte die Trillerpfeife schon irgendwo liegen gelassen. Wir stierten zu Opa, der das Feuerwehrauto mit diebischer Freude fort trug.
„Jeder ist seines Glückes Schmied“, rief er und wie so oft wusste ich, dass er das Gegenteil von dem meinte, was er sagte.
Das Feuerwehrauto stand viele Jahre neben Opas Modelleisenbahnen. Meine Schwester und ich haben uns seitdem nie wieder einer Lostrommel genähert und auch die Ziehung der Lottozahlen blieb uns, ebenso wie die Wettervorhersage im Fernsehen, stets eine sinnleere Zurschaustellung.
Oliver Guntner ist Mitglied im FDA LV Thüringen.