Als ich sie das erste Mal sah war ich total hin und weg. Die musste ich haben. Das würde der Knaller auf dem Betriebsfest nächste Woche. Zugegebenermaßen trage ich höchst selten Hosen, aber die hier war eben etwas Besonderes.
Laut Auskunft des Verkäufers war es ein Unikat aus Italien, daher auch der unverschämt hohe Preis.
Im Geiste ging ich meinen Kontostand durch, und eigentlich war allerhöchstens die Hälfte drin. Allerdings hatte ich auch sofort das passende Oberteil im Kopf, welches ich dazu tragen würde.
Nach 10 Minuten nachdenken war die Entscheidung gefallen. Also die Hose geschnappt und ab in die Kabine. So ganz problemlos ging es leider nicht, denn eigentlich hätte ich einen Schuhanzieher dafür gebraucht. Aber wenn ich in der nächsten Woche kaum etwas essen und einmal mehr zum Sport gehen würde, bekäme ich es hin, da war ich mir sicher. Bis dahin konnte ich ja den Bauch noch ein wenig einziehen.
Beim bezahlen musste meine Visakarte herhalten, immerhin würde das Geld erst nächsten Monat abgebucht. Der Verkäufer lobte meinen guten Geschmack und legte mir ans Herz, sie vor dem ersten Tragen unbedingt zu waschen. Bei meiner Frage, ob sie dann hoffentlich auch nicht einlaufen würde, wurde er geradezu böse.
„Gute italienische Qualität, nix einlaufen. Du ganz sicher, sonst Geld zurück.“
Beruhigt fuhr ich nachhause, probierte die Hose nochmal an mit dem von mir ins Auge gefassten Oberteil und fand mich so attraktiv, wie schon lange nicht mehr. Anschließend wurde die Waschanleitung studiert: 30 Grad, allein und auf links waschen, nicht in den Trockner.
Alles klar und verständlich. Um allerdings ganz sicher zu gehen, stellte ich das Programm nur auf Wollwäsche ein, man kann ja nie wissen.
Beim Rausholen der Hose bekam ich den Schock meines Lebens: der größte Teil der Applikationen war abgefallen, das auffällige blau hatte sich in ein dreckiges grau verwandelt, und aus der langen Hose war eine dreiviertellange geworden. Ich war so sauer, dass ich sie, noch feucht wie sie war, zurückbrachte und dem Verkäufer auf den Tisch knallte.
Ersparen sie mir die Schilderung darüber, wie seine Reaktion und seine Ausflüchte waren. Immerhin hatte ich nach 30 Minuten mein Geld wieder und fuhr nachhause.
Auf der Betriebsfeier habe ich dann etwas aus meinem Bestand angezogen, und eigentlich sah ich auch darin ganz gut aus.
Die größte Freude für mich war allerdings, als meine beiden verhassten Kolleginnen eintrafen. Beide hatten eine irre Hose an, total auffällig, ein Unikat aus Italien. Und während für beide das Betriebsfest gelaufen war, sie sich über den Verkäufer ausließen und sogar eine Klage in Erwägung zogen, konnte ich im Vorbeigehen nur lächelnd sagen: „Dann wartet mal ab, bis ihr sie gewaschen habt.“
Inge Beer ist Ehrenmitglied im FDA LV Thüringen.