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Frühlingstagung 2018 des FDA Nord

Der Freie Deutsche Autorenverband, Landesverband Nord, richtet zweimal im Jahr eine dreitägige Tagung für die Vereinsmitglieder aus. Meine Zusage gab ich spontan. Rückblickend hatte es zwei Anreize dafür gegeben: Zum einen die sympathische Art der Landesvorsitzenden Dorit Berger, die von der geplanten Tagung berichtete, zum anderen die pure Neugier, Mitglieder und Arbeitsweise anderer Landesverbände kennenzulernen. Beides bewog mich nachzufragen – und ja, ich wurde herzlich eingeladen.

So machte ich mich am 20.04.2018 also auf nach Vechta, pendelte mit der Bahn über Göttingen nach Bremen und schließlich durch die niedersächsische Landschaft. Während der Zugfahrt zweifelte ich stark an mir: Im Januar hatte ich zu unserer FDA-Bundesversammlung große Töne gespuckt. Einen Vortrag über Poetry Slam halten – das hatte ich schon zwei-, dreimal gemacht. Aber nie so lange, dass es für einen ganzen Programmpunkt reichte. Konzentriert hatte ich mich bisher auf den unterhaltenden Aspekt, nicht auf inhaltliche Diskussionen. Während der Umsteigezeiten notierte ich mir alle fixen Ideen, die mir in den letzten verbliebenen Stunden noch einfielen.

Das Programm selbst gefiel mir außerordentlich gut, betonte es doch großzügig Pausen und Freiräume für reichliche Diskussionen untereinander. Diese kamen bei den letzten Bundestagungen bereits immer sehr kurz. In Vechta würden sich hauptsächlich Mitglieder des FDA Nord treffen, dennoch ist der Landesverband flächenmäßig betrachtet weitläufig und daher sollte ein solcher Kongress die Möglichkeit des privaten Austausches fordern und fördern.

Die angereisten Autorinnen und Autoren lernte ich erst beim Abendessen kennen. Die lockere Gesprächssituation war sehr angenehm und mich überraschte, dass viele der Anwesenden einige Lebensjahre in Thüringen verbracht hatten und ich mich daher gar nicht so allein im Norden vorfand, wie ursprünglich angenommen. Schon am ersten Abend also fand ich mich in Gesprächen über z.B. Fantasy- und Science Fiction-Literatur wieder, erfuhr von einigen Schreibgruppen und Lesebühnen, welche meine Gesprächspartner besuchten oder z.T. unterhielten. Wie ganzheitlich die Person als solche hier gesehen wurde, zeigte sich daran, dass sich die Gespräche allmählich von der Literatur entfernten und ich den Tag abschloss, froh darüber sein zu können, nicht im Sternzeichen Fische oder Wassermann geboren worden zu sein (denn, so beteuerte man mir, einige unserer Gespräche wären sonst nicht so harmonisch verlaufen).

 

:-)

Hans-Jürgen Schmelzer liest  aus "Meines Vaters Felder". Foto: D. Welker
Hans-Jürgen Schmelzer liest aus "Meines Vaters Felder". Foto: D. Welker

 

 

Samstag war der arbeits-, aber auch der abwechslungsreichste Tag. Hans-Jürgen Schmelzer las aus seinem Buch "Meines Vaters Felder". Das Auditorium lauschte gespannt den niedergeschriebenen biographischen Erinnerungen des Autors. Nicht nur die Fakten und Details der Zeitungsartikel, Briefe und Zeitzeugenberichte, welche zu dieser Erzählung verarbeitet wurden, fesselten uns, sondern besonders die lebhaften Schilderungen und emotionalen Empfindungen, die der Autor wiedergab. Er beschrieb nicht nur den Schicksalsweg seiner Familie, sondern bildete auch die Umgebung, das Umland, die vertrauten Örtlichkeiten mit ab. Wir durften in eine Zeit eintauchen, die heute nicht mehr in ihrer Tiefe fassbar war und entsprechend fand das Werk viel Zuspruch und Anerkennung.

Titel des Vortrags auf dem Flipchart. Foto: O. Guntner
Titel des Vortrags auf dem Flipchart. Foto: O. Guntner

Nach dem Mittagessen verblieb mir noch eine kurze Galgenfrist, ehe ich meinen Beitrag leisten musste. Die Vorahnung, dass allein eine lustig-heitere Atmosphäre, in welcher der Vortrag eigentlich stattfinden sollte, weder die Anwesenden noch mich zufrieden zurücklassen würde, beschlich mich immer mehr. Ich nutzte die Zeit, um an den richtigen Stellen eine Vertiefung der grundlegenden Fragen zum Thema "Poetry Slam" einzubauen. Dies zielte auf Sinnhaftigkeit, auf Zweck und auf die Legitimation der "Bühnenposserei" ab, wenn ich es hier so frei formulieren darf. Zwar war die Grundhaltung nicht so skeptisch wie befürchtet, doch hielten wir stellenweise in der Tat eine sachliche und konstruktive Debatte ab. Die Gedanken meiner Zuhörerschaft und meine Ausführungen sollten mich noch einige Zeit über diese Thematik reflektieren lassen.

 

Heute bin ich froh über die Anregungen und Meinungen. Sie haben mir geholfen, meine eigene Skepsis, die ich seit einigen Jahren zum gesprochenen Wort aufgebaut habe, zu ergründen. Ohne die kritischen Nachfragen meines Auditoriums hätte ich für mich selbst nie eine klare Linie zwischen Autor, Schriftsteller und Literat ziehen können, nicht im Bereich der Bühnenliteratur.  

 

Nach dem Abendessen setzten wir das gemütliche Beisammensein des gestrigen Abend fort. Es wurden Geschichten erzählt, Textauszüge Probe gelesen, gelacht und auch musiziert und gesungen. Ich war erneut überrascht, wie viele unterschiedliche Themen von Leuten bearbeitet werden und wie viel Zeit, Energie und Willenskraft sie in ihre Projekte stecken. In angenehmer Erinnerung ist mir geblieben, dass unter all dem keine destruktiven Kritiken gefallen sind, aber auch nichts geschönt wurde.

Am Sonntag näherte sich die Tagung in Vechta ihrem Ende. Die Textwerkstatt, geleitet von Heinz Zeckel, bildete einen würdigen Abschluss der Veranstaltung. Mit gleicher Sorgfalt und Sachlichkeit wie am Abend zuvor besprachen wir vorher eingesandte und anonymisierte Beiträge der Versammelten. Mancher Autor konnte seinen Schreibstil gut kaschieren, mancher wurde nach den ersten Sätzen identifiziert. Auch hier war die Kritik konstruktiv und jeder nahm wertvolle Impulse mit nach Hause.

 

Die Heimreise trat ich schließlich auch an; nach einem langen Wochenende voller tiefgreifender Impressionen freue ich mich schon darauf, bei den nächsten Treffen wieder kommen zu dürfen. Ja, ich darf – und besonders darauf gespannt sein, was mich das nächste Mal erwartet.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung. Foto: O. Guntner
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung. Foto: O. Guntner

 

Sicher ist, dass ich mich darauf freue, den traitionellen Refrain mitsummen zu dürfen (Text: Detlef Welker):

 

 

 

Von Oberdödeldörpenfeld nach Hängetittensiel,

Kleinliebmichniedlich über Hammelwarden ist dein Ziel,

Den Deich entlang zur Weser, an der Ellerbäke raus,

die Heringstonne umgerannt, bist du bei mir zu Haus.

Oliver Guntner, 01.05.2018

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